Am 7. Oktober 2017 haben der ver.di Ortsverein Limburg-Weilburg, ver.di Bezirk Wiesbaden, DGB Kreisverband Limburg-Weilburg, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Bezirksverband Limburg, Evangelisches Dekanat an der Lahn und Katholischer Bezirk Limburg, Betriebsseelsorge als Träger der „Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg“ sowie Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) Kreisverband Limburg-Weilburg, kfd Region Limburg-Lahn-Dill-Eder und KAB Ortsverein Villmar als Unterstützer die regionale Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg ins Leben gerufen. Unser Anliegen ist es, den arbeitsfreien Sonntag als gesellschaftliches Gut zu erhalten und dort, wo auf Sonntagsarbeit zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Grundversorgung und Freizeitgestaltung nicht verzichtet werden kann, klare und einheitliche Grenzen festgelegt werden, die eine schleichende Aushöhlung des Sonntagsschutzes Einhalt gebieten.
Der Sonntagsruhe liegt eine lange historische Tradition zugrunde. Sie wurde per Edikt am 3. März 321 n. Chr. von Kaiser Konstantin für das Römische Reich erlassen. Sie geht noch weiterführend zurück auf den jüdischen Sabbat und steht symbolisch für die Befreiung aus der Sklaverei. Und auch heute noch steht der arbeitsfreie Sonntag symbolisch für Freiheit: Freiheit von den alltäglichen Sachzwängen, Freiheit und Freiraum für Familien, Freunde, Vereinsmitglieder an einem gemeinsamen freien Tag zusammenzukommen, die gemeinsame Zeit frei zu gestalten und Kraft für die Woche und ihre Werktage zu schöpfen. Dabei kommt dem arbeitsfreien Sonntag auch eine wichtige politische und volkswirtschaftliche Rolle zu. Er ist der Kitt der Gesellschaft. Nicht nur, dass Familien einen gemeinsamen freien Tag in der Woche haben, sondern auch für die Demokratie. Demokratie braucht den Sonntag. Ohne aktive Beteiligung vieler Menschen ist Demokratie nicht vorstellbar. Dafür braucht es Freiräume. Wenn es keinen Tag mehr gibt, an dem möglichst viele Menschen frei haben, schränkt das Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und eine lebendige Demokratie erheblich ein. Auch volkswirtschaftlich macht der gemeinsame Erholungstag Sinn. Studien zeigen, dass Wochenend- und Sonntagsarbeit ein wesentlicher Belastungsfaktor sind. Psychisch-vegetative Beschwerden und Erkrankungen treten bei denen, die regelmäßig an Wochenenden und sonntags arbeiten signifikant mehr auf und belasten zudem das soziale und familiäre Leben. Der gemeinsame freie Sonntag ist das Akku für die Woche, Lebensqualität und stärkt insgesamt den Zusammenhalt der Gesellschaft.
Herausgefordert wird die Errungenschaft der Sonntagsruhe stets und in Intervallen von ökonomischen Partikularinteressen und betriebswirtschaftlich dargestellten Sachzwängen. Nicht umsonst wurde mit Einführung der kapitalistischen Produktionsweise im 19. Jhd. Die konstantinische Ordnung des arbeitsfreien Sonntags abgeschafft. Ebenso nicht umsonst, nämlich um sozialen Fehlentwicklungen gegenzusteuern, wurde 1891 mit dem Arbeitsschutzgesetz der Sonntagsschutz wieder etabliert und ist bis heute in Art. 140 i.V. mit § 139 der Weimarer Reichsverfassung grundgesetzlich als Tag der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung verankert. Somit ist der Sonntagsschutz Teil der Sozialstaatsentwicklung und Geschichte moderner Demokratien.
Im Zusammenhang mit Sozialstaat wurde lange Zeit in der Geschichte der Bundesrepublik der Begriff des Wohlfahrtsstaates geprägt. Der Begriff Wohlfahrtsstaat, dem die politische Zielsetzung und Legitimation, nämlich der Wohlfahrt aller Bürgerinnen und Bürger zu dienen, zugrunde liegt, ist nahezu gänzlich aus unserem Sprachgebrauch verschwunden. Grundlegende gesellschaftspolitische Fragestellungen, wie wir leben wollen und wie die Volkswirtschaft uns dabei dienlich sein soll, sind dem neoliberalen und technokratischen Narrativ gewichen, das scheinbar viele Teile der Gesellschaft unreflektiert übernehmen. Wir sind nur noch umgeben von Sachzwängen, die implizieren, dass sie alternativlos sind, und dabei lediglich doch ökonomische Partikularinteressen und deren Selbstzweck verfolgen. Dem großen Ganzen, der allgemeinen Wohlfahrt ist die Aufmerksamkeit entzogen. Es lockt das schnelle Geld oder reduziert die persönliche Freiheit auf die freie Wahl, was konsumiert werden kann, aber der Preis dafür ist hoch und destabilisiert mittel- und langfristig das politisch-volkswirtschaftliche System. Die statistischen Daten der Krankenkassen belegen eine deutliche Zunahme psychischer Erkrankungen in Zusammenhang mit der Arbeit. Die Auswüchse des neoliberal-technokratischen Paradigmas, demzufolge auch die Sonntagsruhe, dem Tag des selbstbestimmten Gestaltens weichen soll, äußern sich gerade in der Zunahme der Krankenstatistik und haben ihre Ursachen darin, dass soziales und familiäres Leben, Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammenbricht. Ebenso liegen die Ursachen darin, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Niedriglohnsektoren, Ausweitung von Arbeitszeiträumen und flexible Einsatzzeiten kontinuierlich zunehmen. Wochenendarbeit hat drastisch zugenommen. Der Samstag ist längst zu einem regulären Werktag, nicht nur nach der gesetzlichen Definition geworden. Rund 25% der Erwerbstätigen arbeiten regelmäßig an Wochenenden. Und 7,2 Mio. der 38,3 Mio. Erwerbstätigen (Stand 2020) arbeiten mittlerweile an Sonntagen. Betrug der Anteil der Sonntagsarbeit in den relevanten und als Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz festgelegten Bereiche 1949 noch 4%, so hat sich dieser 2017 auf 14% mehr als verdreifacht und betrifft mittlerweile jeden 5. Beschäftigten. Auch hat Arbeit in den Abendstunden um 50% zugenommen, was Familien und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zudem extrem belastet. Die Schattenseiten der schönen neuen Welt einer 24/7-durchgetakteten Gesellschaft hat mit Sicherheit schon jeder in ein- oder mehrfacher Hinsicht zu spüren bekommen. Wie gut ist dann ein arbeitsfreier Sonntag, an dem man nicht von Zwängen fremdbestimmt ist, sondern diesen Tag frei nach Lust und Laune für sich und andere gestalten kann – ein Tag der Freiheit und der Freiräume.
Fällt der Sonntag, gibt es nur noch Werktage. Es gibt deutliche Tendenzen, die grundgesetzlich geschützte Sonntagsruhe weiter auszuhöhlen: Bedarfsgewerbeverordnungen, Deregulierungsgesetze, wie das Hessische Ladenöffnungsgesetz ermöglichen es zunehmend, Sonntagsarbeit jenseits der notwendigen Bereiche zuzulassen. Gerade dem Handel kommt dabei eine innovative Rolle zu. Nicht nur, dass der Handel Vorreiter bei prekärer Beschäftigung, Ausweitung der Arbeitszeiten – z.B. Verdoppelung der Ladenöffnungszeiten seit den 1990er Jahren – und Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist, so treibt der Arbeitgeberverband im Handel auch stets die Diskussion voran, Sonntagsverkäufe mehr und mehr zuzulassen. Für den Arbeitgeberverband wäre es denkbar, jeden fünften Sonntag als Regelarbeitstag zu etablieren und die derzeitigen Regelungen zu verkaufsoffenen Sonntagen weiter zu deregulieren. Auch hier wird mit vermeintlichen Sachzwängen aufgefahren: Innenstadtverödung und online-Konkurrenz werden als Gewicht in die Waagschale gelegt. Verschwiegen wird dabei, dass die Menschen den Euro nur einmal ausgeben können, Sonntagsöffnungen den Umsatz nur von den Werktagen wegverlagern und der stattfindende Verdrängungswettbewerb in der Branche zu Lasten der Beschäftigten – zu 2/3-tel Frauen und Mütter – ausgetragen wird.
Allem voran muss die politische, sozial- und wohlfahrtsstaatliche Frage stehen: Wollen wir das so, wollen wir so leben? Oder geht hier nicht Lebensqualität und soziales wie familiäres Miteinander verloren? Die Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg stellt genau diese grundsätzlichen Fragen selbstbestimmten Lebens jenseits der Fremdbestimmtheit durch Sachzwang-Diskussionen zurück in den Vordergrund. Der arbeitsfreie Sonntag ist eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Gesellschaft und ist mit das Band, das die soziale Gemeinschaft zusammenhält. Die Sonntagsruhe bewahren – dafür setzt sich die Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg seit fünf Jahren ein. Wir laden Sie herzlichen ein, den Sonntag gemeinsam mit uns zu feiern und als gemeinsamen freien Tag zu erhalten.
Marcel Schäuble, ver.di Bezirk Wiesbaden
Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg gegen coronabedingte Sonntagsöffnungen im Weihnachtsgeschäft
Kommunen, Kirchen und Vereine müssen die Belebung der Innenstädte mitgestalten
Limburg. Die Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg spricht sich für den stationären Einzelhandel vor Ort und eine soziale und kulturelle Belebung der Innenstädte aus.
Eine klare Absage erklärt die Sonntagsallianz gegenüber coronabedingten Sonntagsöffnungen im Weihnachtsgeschäft. „Die jetzt angestoßene Initiative von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zur Vitalisierung der Innenstädte bietet eine wichtige und längst überfällige Perspektive nicht nur für den Einzelhandel“, erklärt Martin Mohr, Bezirkssekretär der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), im Bezirksverband Limburg.
Vor allem die Kommunen, Kirchen, Verbände und Vereine vor Ort müssten sich angesprochen fühlen. „Die Corona-Pandemiebeschränkungen sind nicht die Ursache für das Sterben in den Innenstädten, sondern beschleunigen lediglich die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte“, bekräftigt Marcel Schäuble, Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Bezirk Wiesbaden. Deshalb mahnen Mohr und Schäuble an, die in Aussicht gestellten Finanzmittel in erster Linie für städtebauliche und kulturelle Entwicklungsprojekte zu nutzen. "Es ist absurd, allein auf Digitalisierungsprojekte zu setzen. Auch Sonntagsöffnungen werden den Strukturwandel im Einzelhandel nicht zurückdrängen. Vielmehr hängt eine nachhaltige Unterstützung örtlicher Einzelhändler von breit angelegten Wiederbelebungskonzepten für Innen- und Altstädte ab, die nicht zwingend mit eine Abkehr vom Sonntagsschutz gleichgesetzt werden muss“, betonen Mohr und Schäuble.
Alle Akteure müssen am Runden Tisch teilnehmen
Die Belebung der Innenstädte und damit auch die wirtschaftliche Zukunft des Einzelhandels sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. "Alle Player müssen sich am Runden Tisch beteiligen. Gerade die Kommunen, Kirchen und Verbände und Vereine vor Ort sind in der Pflicht, kulturelle Angebote sowie Begegnungsmöglichkeiten für Familien und Menschen unterschiedlichsten Alters in den Innenstädten anzubieten", so die Vertreterinnen und Vertreter von ver.di, KAB, EKHN, Katholischer Bezirk und CDA in der Limburg-Weilburger Sonntagsallianz.
Aus Sicht der KAB gehören die Kirchen unbedingt zu den Akteuren, die eine gesellschaftliche Wiederbelebung der Innenstädte wollen. Neben einem strikten "Nein" zu Sonntagsöffnungen seien besonders Phantasie und Beteiligung außerhalb des sonntäglichen Gottesdienstes gefordert, so KAB-Bezirkssekretär Mohr. Abschließend weist Mohr auf einen möglichen weiteren Beitrag der Kirchen für die Zukunft der Stadtzentren hin. "Überall dort, wo diese als Immobilienbesitzerinnen tätig seien, können sie durch eine Miet- und Pachtpreisgestaltung mit Augenmaß zur Rettung von Gaststätten und Geschäften beitragen."
Martin Mohr
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Die Allianz für den freien Sonntag Limburg-Weilburg ist eine regionale kirchliche und gewerkschaftliche Initiative, die von Organisationen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen unterstützt wird. Mitglieder und Unterstützer sind die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB), das Evangelische Dekanat Runkel, der Katholische Bezirk Limburg, die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Betriebsseelsorge. Sie ist auf der Bundesebene sowie in Bundesländern und Regionen verankert (www.sonntagsallianz-hessen.de ). Sonntagsallianzen und ähnliche Initiativen bestehen auch in vielen anderen EU-Ländern.
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c/o KAB Bezirksverband Limburg
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